Ein fata­les Männlichkeitsbild

Der bekann­te Lie­der­ma­cher und Leh­rer Fritz Mess­ner („Lung­au­er Quer­schlä­ger“) schreibt in einer Kolum­ne der „Salz­bur­ger Nach­rich­ten“ vom 10. Okto­ber 2019 über den erschüt­tern­den Fünf­fach­mord in Kitzbühel:

Was das noch immer vor­herr­schen­de Män­ner­bild im Extrem­fall aus­lö­sen kann“

Eine so schreck­li­che Blut­tat wie jene von Kitz­bü­hel wirft immer auch die Fra­ge nach den Ursa­chen auf. Eine davon ist – da bin ich mir ganz sicher – das auch bei uns immer noch vor­herr­schen­de (Selbst-)Bild von Män­nern. Män­ner müs­sen schmerz­freie Macher und Sie­ger sein und vor allem dür­fen sie kei­ne Schwä­chen zei­gen oder die gar for­mu­lie­ren, egal wem gegenüber.

Die­sem Bild kann eigent­lich nie­mand gerecht wer­den und es erschwert unge­mein, dass jun­ge Män­ner ler­nen, mit Nie­der­la­gen oder Ver­lus­ten umzu­ge­hen, ohne Krän­kun­gen zu erlei­den. Und die­se Sprach­lo­sig­keit und das unge­schrie­be­ne Gesetz, als Mann nie Gefüh­le zei­gen zu dür­fen, bil­den ein see­li­sches Druck­sys­tem, dem prak­tisch das Ven­til fehlt. Des­halb erhöht sich der (Leidens-)Druck, den Nie­der­la­gen und Ver­lus­te, die jeder in sei­nem Leben erfährt, auf­bau­en, im ungüns­tigs­ten Fall so weit, dass der Kes­sel explo­diert und es zu Gewalt­aus­brü­chen oder im Extrem­fall gar zu solch grau­en­haf­ten Taten kommt. 

Ich bin kein Psy­cho­lo­ge und kein Psych­ia­ter, weiß aber als jemand, der seit 45 Jah­ren Lie­der schreibt, was allein die For­mu­lie­rung, das Nie­der­schrei­ben oder Aus­spre­chen von Gefüh­len, die einen beschäf­ti­gen oder belas­ten, an Druck abbau­en und so in posi­ti­ver Hin­sicht bewir­ken kann. Ich will hier nicht vor­schla­gen, dass jetzt alle jun­gen Män­ner Lie­der und Gedich­te schrei­ben sol­len, obwohl das sehr vie­len sehr gut­tä­te, aber einen Gedan­ken möch­te ich ihnen schon noch mit­ge­ben: Man kann der tol­le, von allen bewun­der­te Super­typ sein und dut­zen­de Freun­de zum Schmäh­füh­ren und Fei­ern haben – ohne einen Men­schen, mit dem man über alles reden und dem man sich wirk­lich offen­ba­ren kann, sind die im Ernst­fall alle wertlos.“

Ich kann da Fritz Mess­ner nur voll­in­halt­lich Recht geben. Ich habe beim Wochen­en­de von Mar­ria­ge Encoun­ter selbst erfah­ren, wie befrei­end es ist, die eige­nen Gefüh­le end­lich wahr­zu­neh­men, zuzu­las­sen und auch nie­der­zu­schrei­ben. Bei unse­ren Bezie­hungs-Semi­na­ren erle­be ich immer wie­der, wie bele­bend es für Män­ner und ihre Part­ne­rin­nen ist, wenn das, was uns im Inners­ten bewegt, antreibt und manch­mal auch blo­ckiert, ein­mal gesagt wer­den kann und sein darf.
Dazu braucht es aber auch jemand, der die­se oft so müh­sam for­mu­lier­ten Gefüh­le hört und annimmt, ohne sie zu bewer­ten. Was für ein Geschenk, wenn das die eige­ne Frau ist!

Alo­is
Mit­ar­bei­ter bei ME-Beziehungsseminaren